Franz Reisecker: Musik und andere Geräusche

Musiker*innen verfassen Bücher, schreiben Romane und Essays. Daran scheint man sich gewöhnen zu müssen, oder war das eh schon immer so? Als aktuellste Beispiele in unserer eigenen kulturellen, veranstalterischen Gegenwart seien Jochen Distelmeyer, Christiane Rösinger, Bernd Begemann, Andreas Kump, Austrofred und Hans Platzgumer genannt.

Nun hat das Autor*innen-Virus auch den ursprünglich aus Oberösterreich stammenden Gitarristen und „Elektroniker“ Franz Reisecker erfasst, und das soll bitte keinesfalls despektierlich klingen. Franz ist oft bei uns aufgetreten, ein angenehmer Zeitgenosse, der auf vielen Hochzeiten tanzte: Occidental Blue Harmony Lovers, Mastalksy, Orchester 33 1/3, Lichtenberg und Trio Exklusiv – alle waren sie bei uns zu Gast – seien an dieser Stelle erwähnt. Einige dieser Bands und deren Protagonist*innen kommen unter geänderten Namen im Buch mit dem schönen Titel „Musik und andere Geräusche“ vor, das heuer in der Grazer Edition Kürbis erschienen ist.

Reiseckers Sozialisation erfolgte im Innviertel in der Rieder Gegend. Hartes Pflaster, immer schon. Man erfährt durch die Lektüre einiges aus dem engsten familiären Umfeld des Protagonisten, der im Buch Walter Gump heißt. Es ist durchaus ein autobiographischer Roman, und was man hier in literarischer Form vorgesetzt bekommt, lässt sich oft nicht gerade als geschmeidig bezeichnen. Nach ersten zaghaften, musikalischen Selbstversuchen und ersten gegenkulturellen Erfahrungen ist der vorläufige Ausgang, der Ausweg, der erste Ausbruch fast vorgezeichnet: Nach der Ausbildung Flucht nach Wien. Die schöne neue Welt, in der man es sich einzurichten versucht.

Franz Reiseckers Protagonist macht einiges durch in dieser Coming-of-Age-Geschichte. Erfolge, Niederlagen, persönliche Highlights, Szenezugehörigkeiten, psychische Abstürze, Affären, Liebeskummer, noch mehr Krisen, subjektive Angstzustände, familiäre Brüche und deren Umschiffung. Manches davon darf einem im Konkreten bekannt vorkommen, vor allem wenn man derselben Generation angehört wie der Autor. Reisecker schafft es mit der sprachlich einfachen wie einwandfreien, spannend erzählten Geschichte des Walter Gump, die Neugierde der geneigten Leserin und des interessierten Lesers zu wecken, man will dranbleiben, man will es wissen, wie geht das weiter, geht es hoffentlich eh gut aus.

„Musik und andere Geräusche“ ist vor allem auch eine Pflichtlektüre für alle im Kultur- & Musikbetrieb engagierten Menschen. Man wird Zeuge einer Gratwanderung zwischen familiären, persönlichen Ängsten, Zweifeln und Zuständen des Protagonisten und dem Wunsch nach Popularität, Anerkennung und Aufstieg, Scheitern immer inklusive. Schöne Sache das, danke an Wolfgang Pollanz und den Kürbis Verlag für die Publikation.

von Wolfgang Wasserbauer |