Der Feldhase

Die Autobahn rauscht. Am Rand eines Güterwegs sitzt der Feldhase. Er bewegt die Backen, die Nasenlöcher, den ganzen Kopf, dann sitzt er wieder still da. Grillen zirpen. Als der Hase Vibrationen am Boden wahrnimmt, wird er unruhig.

Er macht kurze, schnelle Bewegungen mit den Beinen, verlagert sein Gewicht hin und her, setzt die Hinterbeine nach vorne, hüpft. Dann bleibt er stehen, schaut, hört, spürt. Er zieht den Kopf ein, setzt zum Sprung an, streckt die Vorderbeine nach vorne und die Hinterbeine nach hinten, segelt durch die Luft, immer wieder. So verschwindet er im Maisfeld.

Kurze Zeit später sitzt der Hase wieder am Straßenrand. Ein Geländewagen mit Anhänger fährt den Güterweg entlang. Als sich das Auto nähert, flüchtet der Hase ins Maisfeld. Aus dem Auto kommt laute Musik – nein, aus dem Anhänger. Dort sitzen A, B und C. Sie haben Lautsprecher an ein Smart­phone angeschlossen. Sie singen und lachen.

Die Person, die das Auto fährt, drückt auf den Knopf, der das Fenster öffnet. Sie streckt ihren Kopf durch das Fenster nach draußen, schaut zurück und ruft A, B und C etwas zu. Dann dreht sie ihren Kopf in Fahrtrichtung, drückt den Knopf, der das Fenster schließt und klemmt ihren Kopf in das halb geschlossene Fenster. So fährt sie weiter.

Der Feldhase sitzt am Rand des Güterwegs und starrt in Richtung Autobahn.                      

Der Text ist eine Skizze für das Projekt „Dirigent*innen gähnen mit Blick auf die Autobahn – Minidramen aus OÖ“, an dem Tamara Imlinger im Rahmen eines Literaturstipendiums arbeitet.

von Tamara Imlinger |