Die Teleskopgartenschere
Ich mache einen Kurs für Mustergestaltung. Obwohl mir am meistgewählten Darstellungsobjekt, dem blühenden Gewächs, zunächst nicht viel gelegen ist, hab ich der Einfachheit halber und in Gruppendynamik Blüten inspiziert – und mir dabei eine ernstzunehmende Begeisterung eingefangen. Auch früher war der Wandel von Wintergrau zu Sommergrün beeindruckend, die Explosion von gelben, weißen, grünen und rosa Farbquasteln aus einem tot wirkenden Holzstock in unter 48 h Frühling ist aber bei genauer Betrachtung so verrückt wie faszinierend.
Um besonders schöne Exemplare abzubilden, könnte ich steifen Genickes 5x um Ast und Baum rennen, hab ich schon gemacht, erregt viel Aufmerksamkeit. Das Foto ist eine gute Alternative, die Stockblume mitzunehmen, eine noch bessere. Sitzen die süßesten Blüten aber auf den viel zu hohen Bäumen, braucht es weder Klassenkampf noch Genetik-Schmähung, es braucht Instrument. Und just in dem Moment bietet der Supermarkt ums Eck welches an. Ich nähme mich selbst nicht ernst, kaufte ich dieses nicht. Die Teleskopgartenschere lässt sich von 60 auf ca. 100 cm verlängern, ermöglicht einem nicht, den Wipfel einer Jahrhundert-Eiche zu köpfen, wohl aber einen über den Zaun ragenden Fliederast zu erbeuten (Strauch, nicht Baum, ich weiß). In einem Glas Wasser halten die Triebe lang genug, um sie aus mehreren Perspektiven (bequem) zu zeichnen, die Farben abzuspeichern und die Blätter separat zu porträtieren. Nebenher erwecken sie fälschlicherweise den Eindruck, als bestünde Sinn für Innenraum-Dekor.
So hab ich nun 25 bis 30 zukünftige Äpfel, 37 Kastanien, 7 Hagebutten und mehrere mir noch Unbekannte auf dem Gewissen, dafür aber einige schöne Motive UND das Wissen, dass der Frühling nun auch für mich mehr zu bieten hat als Allergie und Überforderung. Sollte der eigene Garten wucherndes Gewächs enthalten, kann ich das Gerät laut Packungsbeilage verwenden. Mit 11,99 Euro ist es ein leistbarer, wenn auch für die Federschachtel zu groß geratener Künstlerbedarf. Somit: Go watch trees, oder irgendwas anderes bislang Uninteressantes, fröhlichen Sommer, Emm
Nachtrag: die Kastanien hab ich nicht auf dem Gewissen, der Baum ist einer Baustelle zum Opfer gefallen und aller Vermutung nach nicht mehr in der Lage, die Früchte zu entwickeln. So ist ungeplant ein Stück Erinnerung an einen alleinstehenden Kreuzungsbaum entstanden.