Music Unlimited: Samstag, 5.11.2022

Meine significant other war auch dabei, um diesen geheimnisvollen Begriff wieder einmal zu verwenden. Da konnte ich mich als „schlechtere Hälfte“ gleich um ein gutes Stück besser fühlen. Und auch die beiden aus Linz waren da. Sehr schön. Überhaupt: Es waren eh wieder alle da, hatte ich den Eindruck. Oder einigen wir uns auf: fast alle. – Viel Publikum jedenfalls, alles wie gehabt.

Wir betreten einen gut gefüllten Saal, für einen ordentlichen Sitzplatz sind wir schon zu spät dran. Macht aber nichts, wenn wir später einen bekommen, ist’s auch noch früh genug. BEAM SPLITTER also, Audrey Chen mit ihrer wunderbaren Stimme und der Posaunist Henrik Munkeby Nørstebø eröffnen den Abend. Eben erst angekommen, bin ich schon hin und weg. Ich bin überrascht von diesem fulminanten Beginn. Die Basstöne, die Nørstebø mit seiner Posaune erzeugt, sind famos, wie Chen ihren unglaublichen Stimmumfang einsetzt, welche Techniken sie beherrscht, ist beeindruckend. Das Gebotene wird elektronisch verfeinert, so viel ist klar, was dabei genau vor sich geht, ist aus Publikumssicht so gut wie gar nicht nachvollziehbar. Das ist aber völlig egal, es klingt jedenfalls fantastisch, der Sound ist exzellent.

Es folgt das Saxofon-Duo HANNE DE BACKER und SIGNE EMMELUTH. – Sorry, da gehen sich für mich nur einige wenige Töne aus. Das Essen im Buffet im ersten Stock ist zu gut, das Beisammensitzen zu gemütlich, der Redebedarf zu groß.

Erst beim nächsten Konzert bin ich wieder voll dabei. Es handelt sich um die Formation TØYEN FIL OG KLAFFERI, die uns eine köstliche Portion Neue Musik serviert. Sie ist nicht nur virtuos vorgetragen, sondern auch ein Augenschmaus und überaus unterhaltsam. Die Kombination mit Visuals bzw. Kurzfilmen generiert immer wieder witzige Momente, etwa wenn die Entstehung eines Dankschreibens dargestellt wird, das während des gesamten Musikstücks x-mal korrigiert wird, bevor am Ende ein simples „Danke“ übrigbleibt. Oder wenn auf der Leinwand Tänzer:innen zu sehen sind, die an den skurrilen finnischen Humor eines Kaurismäki-Filmes erinnern, der schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat – gleichzeitig werden wir darüber aufgeklärt, dass es sich hier eigentlich um die Interpretation eines über 250 Jahre alten Beet­hoven- Stücks handle, das als weltweit erster Boogie-Woogie zu verstehen sei. Sehr schön, haben wir wieder was gelernt.

Von der Neuen Musik wird wieder zum Jazz gewechselt. Das BORDERLANDS TRIO legt einen feinen Auftritt hin, die Besetzung: Klavier, Kontrabass, Schlagzeug. Ich brauche einige Zeit, bis ich mich darauf einstellen kann, dann aber spüre ich eine große Dichte und Stimmigkeit, von Langeweile keine Spur. Ich muss aber gestehen, dass mein persönliches Highlight noch bevorsteht.

Dann ist es so weit, der Hexenclub entert die Bühne: WITCH CLUB SATAN! Wenn man den Versprechungen glauben darf, wird jetzt Black Metal geboten. Bis zum Ende des Acts bin ich unsicher, wie viel davon ironisch gemeint ist. Die Inszenierung ist jedenfalls großartig, die Hexen wechseln mehrmals ihr Outfit, der Bezug zum Theater (wo ja die Ursprünge dieses Projekts liegen) ist unübersehbar. In gekonnter Bühnensprache werden Geschichten erzählt, dann wieder sind schwere Gitarrenriffs zu hören, die dazugehörigen Songtexte sind Schreiorgien. Es ist ein gehöriger Schuss Feminismus dabei, ebenso wie jede Menge Bühnennebel, der manches verdeckt – es kann aber durchaus sein, dass zwischendurch die eine oder andere entblößte Brust aufblitzt. Gegen Ende steigen die Hexen zum Publikum herab, um den einen oder die andere zu berühren und zu … äh … segnen? Satan, bist du’s? – Egal.

Fest steht, dass wir hier ein Spektakel sondergleichen erleben durften.

von Wolfgang Federmair |