Saturday evening in a smalltown

Als im November letzten Jahres bekannt wurde, dass John Cale mit Band nach Wels kommt, wurde immer wieder mal darüber diskutiert – in den Kaffeehäusern und Plattenläden (ja sowas gibt’s wieder, dazu später mehr …) dieser smalltown. Daher gleich vorweg ein Appell an alle, die sich nicht sicher waren, die unsicher waren, ob das noch was kann und ob das überhaupt gefällt, etc etc: Bitte nächstes Mal unbedingt hingehen! So eine Legende vor der Haustür ist ein Risiko (das ja eigentlich gar keines ist) wert!

Als ich dann um 19:30 in das bereits gut gefüllte Foyer des umgebauten Stadttheaters kam, traf mensch dann sehr wohl auf einige WelserInnen (und solche, die es mal waren). Erwähnt sei Heidi O., die wunderbare erste Barchefin im Schlachthof (ca. 1990 bis 2000), die Linzer Plattenladenlegende Günther S. vom Wahn & Sinn, oder den großartigen Grafikdesigner Stephan B., ein Musikenthusiast seit ewig, dessen positive Erregtheit über das, was da jetzt auch immer auf uns zukommen mochte, den vorher angesprochen Appell verstärkte: Wenn so­was in Wels ist, muss mensch hingehen!

Im Saal beginnt um 19:55 ein über die ganze Bühne projiziertes Geflimmere, über das kurz der Gedanke aufkommt, ob es das braucht. Und der Verlauf des Konzertes zeigt schnell, dass es das tut, denn – anders gedacht: Velvet Underground und Andy Warhol waren Anfang der 1960er die Ersten, die bei ihren Konzerten großflächige Projektionen zu einem so noch nie erlebten Gesamtkunstwerk zusammenbauten, genau sowas macht Legenden zu Legenden

Als Punkt 20:00 John Cale, gefolgt von seiner dreiköpfigen Band die Bühne betritt, ist der Jubel riesig, sozusagen der freudigen Erwartung ge­schul- det. Es beginnt mit einem älteren Song (Jumbo in tha modern world von 1975) und die live bearbeiteten Visuals passen großartig dazu. Der Sound wirkt leider etwas schwammig, aber das ist eine persönliche Ansicht, womöglich den eigenen Hörgewohnheiten geschuldet.

Als er dann eine seine schönsten Nummern (Style It Takes vom ganz grossen Album Songs for Drella mit Lou Reed) ziemlich düster und atonal rüber­bringt, denk ich mir kurz: Auweh oje – das versteh ich jetzt nicht! – Um kurz darauf dasselbe zu spüren bzw. zu erkennen, wie 2012 bei Bob Dylan: Oh Halleluja – du sitzt vor einem der Erfinder! Ohne solche Leute wie Cale oder Dylan würde die Welt anders klingen! (Eine schöne Parallele zwischen den beiden doch allein schon vom Ansatz her unterschiedlichen Künstlern, finde ich zumindest).

Ab dann läuft es sehr spannend und eindrucksvoll unterschiedlich, es fließen sehr schöne Drones und frei improvisierte Einsprengsel, immer kongenial ergänzt durch die wie gesagt live eingespielten Visuals zu einem in alle Richtungen offenen großen Ganzen.

Zum Schluss greift er noch unter frenetischem Jubel für eine Nummer zur E-Gitarre, um dann einen weiteren großen schönen Song ziemlich originalgetreu zuzugeben: I Keep a Close Watch vom 1982 erschienenen Album mit dem auch sehr schönen Titel Music for a new Society.

Fazit 1: Eine spannende Darbietung eines nicht mehr ganz so jungen Mannes mit einer kongenialen Band im Hintergrund. Wie spannend, erspürt sich dann am nächsten Tag, da merkt mensch, dass es sickert und einen darüber nachdenken lässt und das ist gut so! Und das ist auch die vorherrschende Meinung der Menschen in den Kaffeehäusern dieser smalltown …

Und der neue Plattenladen namens Electric Eye Store in der Pfarrgasse, ein Treffpunkt für alle junggebliebenen FreundInnen der etwas härteren bis ganzen harten Angelegenheit, bekam kurz vor Konzertbeginn Besuch von einem älteren als freakig zu bezeichnenden Schweizer, der extra angereist war und ganz begeistert mit dem eher jüngeren, als Metalhead zu bezeichnenden Inhaber über den immensen Einfluss von Velvet Underground diskutierte …

Fazit 2: im Vorfeld war zu hören, dass die Kommunikation mit Tourmanagement und Band nicht wirklich funktionierte. Sowas kann extrem nervig und stressig sein, daher ein herzliches BRAVO-DANKE! an alle Beteiligten (denen mensch die Erleichterung danach anmerkte), mit der großen Bitte, immer wieder solch lang nachhallenden Ereignisse in diese smalltown zu bringen!

von Peter Neuhauser |