Jazz/Impro/Avant
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Mira Lu Kovacs & Clemens Wenger | Sad Songs To Cry To
Mira Lu Kovacs ist nicht nur als Sängerin von My Ugly Clementine (vorher spielte sie schon in so phantastischen Bands wie Schmieds Puls und 5KHD) eine der herausragenden Stimmen der österreichischen Poplandschaft. Clemens Wenger wiederum ist Mitglied der Wiener Soul-Band 5/8erl in Ehren und Gründer der Jazz-Werkstatt - er gilt als Schlüsselspieler in Sachen Jazz und anspruchsvollem Pop. Gemeinsam haben Kovacs und Wenger ihr Duo-Debüt vorgelegt.
"Sad Songs To Cry To" heißt die Sammlung von zehn Songs, die ein Soundtrack für die "stille Zeit im Jahr" sein möchte.
Zehn Songs, acht Coverversionen und zwei neue, eigene Stücke gibt es hier zu entdecken. Eingerahmt wird die Sammlung von zwei Songs, die schon mehrere Jahrzehnte auf dem musikalischen Buckel haben und eines einmal mehr betonen: traurige Lieder, die einen zum Weinen bringen sind eine zeitlose und zentrale Antriebsfeder des Musikmachens. "Wenn ich mir was wünschen dürfte" aus dem Jahr 1931 - damals von Marlene Dietrich interpretiert - eröffnet den Reigen. "I'm Old-Fashioned", ein Fred Astaire Song aus dem Jahr 1942, setzt den Schlussakkord.
Was diese Lieder verbindet ist der Hang zur Melancholie und eine stille Aufforderung zum Innehalten. "Ich glaube schon, dass rund um Weihnachten die Zeit ist, in der man etwas mehr Ruhe findet", meint Clemens Wenger, "und auch die Zeit, um etwas melancholisch zu werden. Für uns ist das ein wichtiges Gefühl und dieses Album ist ein guter Soundtrack zu diesem Gefühl."
Mira Lu Kovacs und Clemens Wenger deuten auf "Sad Songs To Cry To" Musik als Zufluchtsort für jene Gefühle, die man sonst gern überpinselt. Wie im Ton Steine Scherben Klassiker "Halt Deine Liebe fest" oder in der Neudeutung des STS-Klassikers "Kalt und kälter". Die beiden neuen Stücke, „Fort von Hier“ und die Vertonung von Fernando Pessoas "That’s What Happiness Is" reihen sich nahtlos ein.
Joni Mitchells "A Case of You" ist ein Highlight dieses Albums. Mira Lu Kovacs erzählt diese Liebesgeschichte zerbrechlich, kristallklar und überwältigend berührend. "Das muss man sich erst einmal zutrauen", meint Clemens Wenger, der schon lange mit dem Gedanken spielt, Joni Mitchell zu covern - und dabei stets Mira Lu Kovacs im Hinterkopf hatte. "Da darf man nicht zu ehrfürchtig vor dem Original sein, sondern muss versuchen, damit Musik zu machen und das Lied nicht bloß nachzumachen."
"Sad Songs To Cry To" leistet sich keine Schwächen. Kovacs und Wenger ringen Einsamkeit, Unsicherheit und Isolation etwas Tröstendes ab. Dieses Album ist eine eindringliche Verteidigung der Traurigkeit, ein Manifest der Melancholie. Wer in sich gehen und dabei die unaufgeregte Gesellschaft zweier Ausnahmemusiker genießen möchte, dem sei "Sad Songs To Cry To" ans vorweihnachtlich gestimmte Herz gelegt.
(David Baldinger, Ö1, weil Ö1 gehört gehört)